Wiesental in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts
Die 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein weiterer Schwerpunkt im Museum.
Erster Weltkrieg
Der Kriegsbeginn am 1. August 1914 wurde von großen Teilen der deutschen Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen. Viele glaubten, dass die Soldaten an Weihnachten wieder zuhause sein würden. So war die Stimmung auch in Wiesental. Die schlimmen Auswirkungen der Kriege im 17./18. Jahrhundert waren vergessen und die Kriege des 19. Jahrhunderts hatten auf die Wiesentaler Bevölkerung wenig Auswirkung gehabt.
Die Hoffnung auf einen schnell gewonnenen Krieg erfüllte sich allerdings nicht. Es kam zu einem Stellungskrieg an den verschiedenen Fronten, der zahlreiche Menschenleben forderte. Diese Materialschlachten machten die Grenzen des deutschen Rüstungspotentials sichtbar.
In Wiesental bestand ab Januar 1915 ein Reservelazarett des II. Bayrischen Armeekorps, das u.a. in der Gewerblichen Fortbildungsschule und im Festsaal der Gaststätte "Schwanen" untergebracht war. Im Februar 1915 war es mit 160 Verwundeten belegt. Für die an den Folgen ihrer Verletzungen verstorbenen Soldaten wurden von der Gemeinde unentgeldlich Ehrenplätze im neu angelegten Friedhof zur Verfügung gestellt.
855 Wiesentaler wurden zum Wehrdienst in diesem Krieg einberufen. Dies führte auch in Wiesental zu einem Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft und in der örtlichen Zigarrenindustrie. Vor allem die Frauen, deren Männer eingezogen waren, hatten nun allein für Haus und Hof zu sorgen und mussten ein unvorstellbares Arbeitspensum bewältigen. Viele gingen einer Erwerbsarbeit nach, da die Kriegsunterstützung zum Lebensunterhalt nicht ausreichte.
Im Laufe des Krieges verschlechterte sich die Versorgungslage der Bevölkerung zusehens. Nahrungsmittel und Brennmaterial waren knapp und wurden vom Staat auch noch nach dem Krieg zwangsbewirtschaftet. Dem Rohstoffmangel fielen dann im September 1917 auch drei Wiesentaler Kirchenglocken zum Opfer, die zu Kriegsgütern umgeschmolzen wurden. Die Gemeinde erhielt dafür insgesamt 4719,50 Mark. Pfarrer Roth vermerkte in einer Notiz: "Das Geld soll nach dem Krieg für die Anschaffung neuer Glocken verwendet werden."
Bis zum Tag des Waffenstillstandes am 11.11.1918 starben in diesem Krieg 145 Wiesentaler Soldaten. Zu deren Gedenken wurde am 30. Juni 1929 ein Kriegerdenkmal feierlich enthüllt, das von dem Karlsruher Bildhauer Karl Seckinger geschaffen wurde. Es steht heute beim Wiesentaler Friedhof.
Zeit zwischen den Kriegen
Nach dem 1. Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise (1929) kam es zu gesellschaftlichen und technischen Veränderungen, die in den Städten in rasantem Tempo vor sich gingen. In den dörflichen Gemeinden, so auch in Wiesental, war dieser Umbruch jedoch etwas langsamer erfolgt.
Durch die verringerte Sterblichkeitsrate erhöhte sich die Einwohnerzahl. Neue Häuser wurden gebaut, der Kindergarten erweitert und eine Kinderkrippe eingerichtet. Die Landwirtschaft wurde meist nur noch im Nebenerwerb betrieben, ein Trend der mit der Errichtung der Zuckerfabrik (1837) begann, durch den Bau der Bahnlinie Mannheim - Karlsruhe (1871) und der Gründung der örtlichen Zigarrenfabriken verstärkt wurde. 1919 wurde Wiesental an das Stromnetz angeschlossen. In Wiesental beklagte sich der Gemeinderat 1928 über den starken Kraftfahrzeugverkehr im Ort. Die modernen Verkehrsmittel erhöhten die Mobilität und dadurch lernten die Wiesentaler die Lebensformen und Ideen der Großstädte kennen.
Wirtschaftlich geprägt war die Zeit durch den großen Geldbedarf des Staates für die zu leistenden Zahlungen auf Grund des verlorenen Krieges. Dieser behalf sich damit, Papiergeld zu drucken. Dies führte 1923 zu einer galoppierenden Inflation. Selbst Gemeinden druckten Notgeld (z.B. Philippsburg). Es kam zu einer Währungsreform und es wurden ab dem 15.11. die neuen Banknoten ausgegeben. Für 1 Billion "Papiermark" erhielt man 1 Goldmark. Es kam zu einem Anstieg der Industrieproduktion. Die Landwirtschaft wurde jedoch von diesem Aufschwung nicht erfasst. Trotzdem stieg in Deutschland der Lebensstandard bis am 24.10.1929, dem "Schwarzen Freitag", die Weltwirtschaftskrise auf Grund einer Überproduktion in den USA ausbrach. Der Wert der Aktien sank, viele Banken brachen zusammen und die Sparer verloren ihr Geld.
In Folge stieg die Arbeitslosigkeit stark an. Unter anderem bereitete dies Adolf Hitler den Weg zur Macht. In Wiesental führte dies auch 1933 zur "Machtergreifung" der NSDAP im Gemeinderat und in der Gemeindeverwaltung. Der Wiesentaler Zentrumsbürgermeister Martin Roth, der nicht zur NSDAP übertreten wollte, wurde öffentlich denunziert und daraufhin in den Ruhestand versetzt. Die Gleichschaltung, die gesellschaftliche und politische Vereinheitlichung, erfasste weite Bereiche des täglichen Lebens. Parteien, Gewerkschaften, Verbände und Vereine wurden aufgelöst (z.B. Wiesentaler Arbeitergesangverein und DJK) wenn sie nicht den nationalsozialistischen Ideen entsprachen. Die Vorstandsposten der bestehenden Vereine wurden mit Parteimitgliedern besetzt. Viele Bürger traten aus wirtschaftlichen Gründen einer nationalsozialistischen Organisation bei und erhofften sich dadurch Vorteile und Aufstiegsmöglichkeiten.
Zweiter Weltkrieg
Auch in Wiesental gab es früh Kriegsvorbereitungen. 1936 wurden bereits Verdunkelungsübungen durchgeführt. Ab dem Sommer 1938 erfolgte dann die Befestigung der Reichsgrenze zwischen Basel und Aachen auf 630 km Länge durch den Bau des Westwalls. Auf der Wiesentaler Gemarkung waren hiermit ab November 1938 im Durchschnitt 240 Arbeiter beschäftigt.
Am 1. September 1939, mit dem deutschen Überfall auf Polen, begann der 2. Weltkrieg. Von 1939 bis 1945 war ein Großteil der männlichen Bevölkerung Wiesentals eingezogen und bis auf kurze Heimaturlaube nicht im Ort anwesend. Wie im 1. Weltkrieg war das Ortsgeschehen vor allem von den Frauen geprägt.
Der Arbeitskräftebedarf konnte nur durch den Einsatz von ausländischen Arbeitskräften gedeckt werden. Auch in Wiesental, Kirrlach und Waghäusel wurden Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt. Sie waren teilweise in der Wiesentaler Schule untergebracht. Ältere Wiesentaler erinnern sich noch, dass russische Gefangene selbst gebasteltes Holzspielzeug (Tauben und Pfaue), das auch noch im Museum zu sehen ist, gegen Naturalien tauschten.
In der Nacht vom 31.8. zum 1.9.1940 erfolgte der erste Bombenabwurf auf Wiesental, der jedoch nur Flurschaden anrichtete. Sonst waren die ersten Kriegsjahre ohne nennenswerte Bedrohung aus der Luft. Als Britische Bomber vom 6. zum 7. Mai 1942 den Bruhrain überflogen, fielen um 0.19 Uhr Bomben auf Wiesental. Eine Luftmine traf das untere Ende der Lußhardtstraße und rechts und links die angrenzende Stefanstraße. Wohnhäuser und Scheunen stürzten ein. 4 Personen starben. 100 Wiesentaler waren durch den Angriff obdachlos geworden. Noch während des Krieges wurden die Häuser wieder aufgebaut.
Der Höhepunkt der Luftangriffe wurde 1944/45 erreicht. Am 25. April 1944 erfolgte ein Angriff auf Waghäusel: Zuckerfabrik und Post wurden schwer und das Kloster mittelschwer getroffen. Ab Herbst 1944 häuften sich die Flugalarme. Die Angriffe galten Zügen und Bahnanlagen.
Am Sonntag, dem 21. Januar 1945, erlebte Wiesental den zweiten Luftangriff. Während der Mittagszeit warfen feindliche Flieger über 4000 Brandbomben und 42 Sprengbomben ab. Die katholische Kirche brannte völlig aus. 38 Wiesentaler wurden getötet, viele verwundet, 29 Häuser und 155 Scheunen zerstört. Der Luftangriff der Amerikaner war wahrscheinlich ein Versehen und sollte den Lanz-Werken in Mannheim gelten.
Bereits im Jahr 1936 begann man links von der Landstraße Waghäusel- Kirrlach mit dem Bau eines Flugplatzes, der im Endausbau eine Start- und Landebahn von etwa 1.200 Meter auswies. Zu Beginn und während des Krieges diente der 1939 fertig gestellte Grasplatz verschiedenen Luftwaffeneinheiten zum Abstellen und Warten von Flugzeugen.
1944 kamen rund 50 Messerschmitt-Jagdflugzeuge mit 800 Luftwaffensoldaten des Jagdgeschwaders 53 "Pik As" nach Kirrlach, die von dort aus ihre Einsätze flogen. Einquartiert wurden die Luftwaffensoldaten in Kirrlach und Wiesental. Staffelführer des 12./JG 53 Walter Manz, der am 25. Januar 1945 über Wiesental abgeschossen wurde, war mit der Tochter seiner Quartiergeber Elisabeth Krauss verlobt. Staffelführer Günther Landt wohnte im Haus des Wiesentaler Arztes Dr. Andreas Fischer in der Oberdorfstrasse. Auch das Bodenpersonal war bei Privatpersonen, die ausreichend Platz hatten, untergebracht.
Die Flugzeuge des Jagdgeschwaders wurden hauptsächlich zur Bekämpfung der zahlreichen amerikanischen Jagdbomber eingesetzt, die durch ihre verstärkten Angriffe die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken versetzten.
Wegen allgemeinen Treibstoffmangels der Wehrmacht hatten die Jagdflieger in den letzten Kriegsmonaten schon nicht mehr am Kampfgeschehen teilgenommen, auch nicht bei dem verheerenden Luftangriff auf Wiesental am 21. Januar 1945. Im März 1945 wurden die Soldaten abgezogen und der Flugplatz unbrauchbar gemacht.
Am Palmsonntag, 25. März 1945, begann gegen 10 Uhr die Beschießung Wiesentals durch Artellerie, die am nächsten Tag durch Jagdbomber verstärkt wurde. Am 26. März starben durch den Abwurf einer einzelnen Bombe 6 Personen in der Friedenstrasse. Am 31. März 1945 wurde Anton Zimmermann II, wohnhaft in der Oberdorfstrasse 64, durch einen Granatsplitter so schwer verletzt, dass er am 4. April seinen Verletzungen erlegen ist. Die Beschießung des Ortes dauerte bis Karsamstag zwischen 5 und 6 Uhr.
Die Besetzung von Wiesental erfolgte am Ostersonntag, 1. April 1945, durch französische Truppen ohne dass es zu einem Schusswechsel kam. Schwere Artillerie und Panzer waren hinter dem Dorf am Wald entlang aufgefahren, bogen dann aber ab. Gegen neun Uhr marschierten die ersten Truppen ein. Die Bewohner hatten die Panzersperren nicht geschlossen, mussten sie aber beim Einmarsch der Franzosen, auf Befehl derer, abbauen. In der Frühe des Ostermontags bis zur Frühe des nächsten Samstags kamen nach Siegermanier eine Anzahl von Plünderungen und Vergewaltigungen vor, die vielen in schlimmster Erinnerung geblieben sind. Die zerstörte Kirche diente den französischen Besatzern kurze Zeit als Viehstall für das requirierte Beutegut. Im Verlauf des zweiten Weltkrieges sind durch feindliche Fliegerangriffe oder sonstige Kriegseinwirkungen insgesamtt 55 Personen aus der Zivilbevölkerung ums Leben gekommen. 29 Hauptgebäude sowie 155 Nebengebäude wurden total zerstört. 118 Häuser sowie 72 Nebengebäude erlitten mittlere bis leichte Beschädigungen. Etwa 1205 Einwohner unserer Gemeinde wurden zur Wehrmacht eingezogen. 249 Männer sind gefallen, 158 Angehörige der Wehrmacht, der Luftwaffe und der Marine sind vermisst.
Nachkriegszeit
Für die Bevölkerung begann nun eine schwierige Zeit.
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