Am 22. Januar 1966 wurde in den Wiesentaler Gemeindenachrichten folgender Artikel über den Wiesentaler Dialekt von Rudolf Rolli (damals Lehrer in Wiesental, heute wohnhaft in Karlsdorf) abgedruckt. Mit seiner Erlaubnis wird dieser interessante Artikel zum Thema "Wiesentalerisch" hier nochmals veröffentlicht.
Wiesentalerisch
"Dummeldi awwer !" -
"Dummeldi nummer dudi"
Hand aufs Herz lieber Leser, mussten Sie nicht nochmals genauer hinsehen, um zu verstehen, dass die Aufforderung nur zur Eile dem Anredenden bekräftigend zurückgegeben wird. So also klingt Wiesentalerisch.
Nachdem vor kurzer Zeit in einer ansprechenden Folge die Hebraismen in unserem Dialekt näher beleuchtet wurden - solche Spracheinflüsse lassen sich noch von anderen Völkerschaften nachweisen - seien heute Sprachbesonderheiten unserer Wiesentaler Mundart der Gegenstand der Betrachtung. Wir können dabei nicht dem etymolischen Ursprung einzelner Wortgruppen nachgehen, sondern wollen nur das Erscheinungsbild unseres täglichen Sprachgebrauchs etwas näher untersuchen. Dieses Vorhaben stößt allerdings auf eine kleine Schwierigkeit, die die Gefahr des Mißverständnisses nicht ausschließt: Jede Mundart beinhaltet Laute, für die unsere Hochdeutsche Sprache keine Schriftzeichen bereithält, deren Klanggestalt sich einer restlosen schriftlichen Fixierung entzieht. So bleibt als gangbarer Weg nur, mit einer Kombination der zur Verfügung stehenden Lautzeichen das Schriftbild unseres Dialektes festzulegen; den spezifischen Klang und die arteigene Sprachmelodie herauszuhören, muss dem Leser überlassen bleiben.
Mundarten sind orts-, zeit- und sozialgebunden, können durch vielerlei Einflüsse bestimmt und geprägt werden und bilden gerade in unserem Gebiet keine Einheit. Fast jeder Ort unserer nachbarschaftlichen Umgebung hat seine typische Dialektfärbung, seinen spezifischen Wortklang. Das liegt einmal daran, dass in unserem Gebiet verschiedene Mundartgruppen aneinandergrenzen: das Rheinfränkische, das Südfränkische, das Pfälzische, das Schwäbische und das Alemannische. Als bester Sprachbeweis kann dafür der Gebrauch des - pf - gelten. Wir haben noch einen Pfarrer und ein Pfund (schwäbisch-alemanisch); aber bereits in Oberhausen und erst recht weiter westlich und nördlich spricht man vom Parrer und vom Pund (pfälzisch-fränkisch). Ein weiterer Grund für die örtliche Verschiedenheit der Dialekte bei uns liegt an der bewegten Geschichte unserer Heimat. Bis zum beginnenden 19. Jahrhundert gehörte unsere Gegend zum Bistum Speyer, war also linksrheinisch orientiert. In den Jahren davor waren durch die nahe Festung Philippsburg immer wieder fremde Söldner, Franzosen, Schweden und Kaiserliche bei uns "zu Gast", wobei das Französische den meisten Einfluss auf unsere Mundart ausübte und heute noch in einigen Ausdrücken lebendig ist, wie z. B. "allah" (Beeilung), "Boräblee" (Schirm).
Das wohl auffälligste Merkmal unseres Wiesentaler Dialektes ist der teilweise flache Klang der Vokale und besonders die Vorherrschaft des i-Lautes, weswegen unser Ortname von Auswärtigen gerne als "Wiesedail" ausgesprochen wird. Vielleicht geht dies auf den allemannischen Spracheinfluss zurück. Denn fast alle Verkleinerungen enden auf i: Häffili, Wägjili, Saili und Endsilben werden ebenfalls davon beherrscht: nimmie (nimmer), Zeiding (Zeitung). In manche Wörter, vielfach solche, die gar kein i enthalten, wird sogar eines eingeschoben: schtarik (stark), arig (arg), Marik (Mark), Millich (Milch), värri (vor), Dolich (Dolch).
Dieses Einschieben eines Buchstabens findet sich auch noch bei anderen Wörtern. Das Wort Stempel erhält zu seinem p noch ein f: Stempfel. und in das Wort Speicher drängt sich ein d: Speichder. Demgegenüber muss sich das Wort Schrank den Wegfall des r gefallen lassen; bei uns ist das "än Schank". Vielleicht steckt dahinter eine gewisse Sprachbequemlichkeit.
Ganz unregelmäßig ist auch der Gebrauch des Doppellautes - au -: Während er in "Haus" und Maus" phonetisch unangetastet bleibt, wird aus ihm in "Baum" und "Traum" ein nasaler O-Laut, der sich mit unseren Schriftzeichen kaum fixieren läßt. Wir wollen es durch ein angehängtes a andeutend versuchen: Bo(a)m, Tro(a)m. Denselben Klanglaut finden wir auch bei den Wörtern zahm, lahm und heim - zo(a)m, lo(a)m. ho(a)m, obwohl sie in der hochdeutschen Fassung einen ganz anderen Stammvokal haben. In den Wörtern "grau" und "blau" wird aus dem - au - sogar ein einwandfreies o: groh, bloh, mit dem auch das Wort spät wiedergegeben wird: spoht. Ebenfalls zu einem o wird das - u - in "Wurm" und "Puppe": Worm, Bobb.
Neben diesen Eigenheiten des Wortklanges findet sich auch eine grammatikalische Besonderheit in unserem Dialekt, die die deutsche Hochsprache nicht kennt. Es ist dies die Deklination, die Beugung des Zahlwortes "zwei" . Während dieses im Hochdeutschen vom Geschlecht des dazugehöhrenden Hauptwortes unbeeinflusst bleibt - zwei Männer, zwei Frauen, zwei Kinder - wird es in unserem Wiesentalerisch gebeugt und ähnelt in seinem Gebrauch den Artikeln der, die, das: männlich: zwee (Männer), weiblich: zwuh (Frauen), sächlich: zwai (Kinder).
Alle Klang- und Sprachbesonderheiten unserer Wiesentaler Mundart kann man nur in einer umfangreichen Arbeit festhalten, die den Rahmen dieses Artikels weit sprengen würde. Es wurden hier nur die auffälligsten Spracheigentümlichkeiten aufgezeigt. Der interessierte Leser sei hierdurch angeregt, in eigener Initiative noch weitere Wesensmerkmale aus unserem Wiesentaler Heimatdeutsch herauszuhören.
Der folgende Artikel stammt ebenfalls aus der Feder von Rudolf Rolli.
Mit seiner Erlaubnis wird dieser Artikel, der am 5.9.2012 in der BNN erschien, auch hier nochmals veröffentlicht.
Sprache mit unendlicher Vielfalt
Wiesentaler Muttersprache nimmt einen besonderen Platz in der Region ein
Mundart, Dialekt? - Natürlich! Das ist, wenn der Schüler zum Lehrer sagt: „Guggä Se mol, Herr Lährer, där schreibt jo Dorlach mit -u-" Und wenn Baden-Württemberg damit firmiert, dass man hier
alles könne, außer Hochdeutsch, dann ist damit der Wert und die Stellung der Muttersprache bestens dokumentiert. Auf der Suche nach weiteren Mundartdokumenten wird man recht schnell fündig:
verschiedene Sendungen in Funk und auch Fernsehen, Mundartwettbewerbe und eine ganze Reihe bibliografischer Veröffentlichungen widmen sich der Mundart. Selbst der Schlager bedient sich zuweilen
ihres Idioms.
Gerade in der Mundart öffnet sich Heimat als eine Welt der Menschlichkeit, die dem Menschen die Entfaltung seiner Kreativität und Schaffenskräfte ermöglicht und ihm auch den Alltag mit den
Lebensbedingungen seines lokalen Umfelds erschließt. Außerdem ist die Mundart der Grundstock, aus dem die Vielfalt unserer Sprache entstanden ist, in der wir leben und denken und alles, was das
Fühlen und Empfinden besonders bewegt, artikuliert sich in der Mundart emotionaler und gefühlsgeladener Mundarten sind orts-, zeit- und sozialgebunden und bilden in jeder Region keine Einheit.
Fast jeder Ort hat hier seine typische Dialektfärbung, seinen spezifischen Klang.
Nachdem vor kurzem im SWR-Fernsehen im Tatort: „Tod einer Lehrerin" einer der Schauspieler seine Rolle in lupenreinem „Wiesentalerisch" sprach, bietet es sich an, die Spracheigentümlichkeiten der
„Sandhasen" etwas näher zu beleuchten. Neben dem signifikanten Zungen-R fällt im Wiesentaler Sprachklang eine gewisse Vorherschaft des i-Lautes auf, weswegen der Ortsname früher von Umländern
gerne auch als „Wissedail" apostrophiert
wurde. Verständlich, denn die Aufforderung an ein Mädchen zuzuhören, klingt so: „Horrich, Maidl, horrich" und ein Kapellchen ist „ä Kabelli", ein kleiner Topf „ä Häffili".
Eine weitere Spracheigentümlichkeit - allerdings auch andernorts beobachtbar - ist der bevorzugte wortklangbildende Gebrauch des Umlautes „ä". Wie sehr er den Sprachklang prägt, mögen - oft
gelesen und gehört - folgende Formulierungen belegen. „Bei dä Wissädalä Duddärä wädä widdä geduddäd. „Sie spielen „D`Wunnäsau vun Wissädal." Nicht weit weg davon sind auch die „Wissädalä
Fasänachdä", wenn sie mit „Krabbäscheichä" ihre „Fäz machä".
Es sind aber auch viele Wörter im Gebrauch, die in der hochdeutschen Fassung überhaupt kein „Ä" haben. Es seien nur einige wenige zitiert: Papa - Babbä; Ball - Ballä; Pfirsich - Pfäsching;
Andreas - Oanäres; Senf - Senäft; Doktor - Dokdä; nach vorne - värri; anders - oannäschdä. Demgegenüber gibt es aber auch Wörter, die das „Ä" des hochdeutschen Stammwortes nicht artikulieren, z.
B. Äpfel - Epfel; Männer - Menner; es hängt - es hengt; Dämmerung - Demmerung.
Das „Ä“ dient ebenso als unbestimmter Artikel und im Doppellaut als Verneinung: „ää". Eine Domäne des „Ä“ sind die Endsilben -er- und –en - bei Haupt- und Zeitwörtern, die fast ausschließlich vom
Klang dieses Lautes geprägt sind: Fenster - Fenschdä; Zimmer - Zimmä; Garten - Gadä; Häuser - Haisä; sowie: laufen - laafä; schreiben - schreiwä; nageln - naglä; Rheinhausen - Rheuhausä.
Eine Liste, die sich beliebig verlängern ließe.
Auffallend ist auch, dass das „Ä" für eine ganze Wortsilbe steht, als Wortklang für die Nachsilbe „-heim“ bei Ortsangaben, wobei der Auslaut der vorangehenden Silbe zur Anlautung des „Ä“ wird:
Huttenheim - Huddä-nä; Helmsheim - Helmsä; bei Gochsheim wird er sogar zum „z" - Goch-zä; bei Germersheim - sogar zu einem Zischlaut - Germi-schä und Mannheim bekommt sogar noch ein den Klang
abrundendes „m"; Moa-nnäm.
Die Mundart ist eine lebendige Sprache mit einer unendlichen Vielfalt sprachlicher Ausformungen und wird sicherlich nicht aus dem Sprachalltag verschwinden, wobei sie allerdings einem ständigen
Wandel unterworfen sein wird.
Gerade die heutige regionale Mobilität lässt manch festgefahrene Sprachformel verblassen, sich nachbarschaftlich mehr oder weniger angleichen und zuweilen sogar verschwinden. Wer weiß dann noch,
dass in Wiesental ein Eichenhäher ein „Gäägääg“ ist?
Hier einige spezielle Wiesentaler Dialektwörter:
Alt Wiesentalerisch
|
Ärbel |
awl |
Babbs |
Benzenickel |
Bobbl |
fiesslä |
Fissemadenda |
Fissemadendä |
Gedel |
Gugummä |
gumpfä |
Hexäkluuf |
hinnäschich ? |
Labbäduddl |
Laicht |
Lapp, Gosch |
Lubardels |
Magsoomä |
Maläschdä |
Nachtmolgängä |
niwä |
oannäweg |
Petter |
Quaddwärm |
riewich |
riwä |
Schbauz |
Schees |
Schleif |
sellä |
selli |
Sparräfandl |
stiechäm |
Strehl |
Suggl |
Drieler |
Uuflood |
väkassämadugglä |
väzwärwlt |
wellä |
welli |
Wochädölbl |
Zeebkeckä |
färri |
peebt |
uufleedich |
Poodä |
Kaudä |
Hochdeutsch
|
Erdbeere |
jetzt |
Schlamm |
hl. Nikolaus |
Hautschwellung |
schnell rennen |
Getue |
faule Tricks |
Patin |
Gurke |
Wasser pumpen, schöpfen |
Sicherheitsnadel |
rückwärts |
Depp |
Beerdigung |
Mund |
Suchspiel |
Mohn |
Schwierigkeiten |
Erstkommunikant |
hinüber |
immerhin |
Pate |
Engerlinge |
ruhig |
herüber |
Kleinigkeit |
Kinderwagen |
Eisfläche |
jener, der dort |
jene, die dort |
Spinner |
vorsichtig, ruhig, leise |
Kamm |
Schnuller |
langsamer Kerl |
unangenehmer Mensch |
näher erklären |
verworren |
welcher |
welche |
Halskrankheit |
Stiefmütterchen |
voran |
nah, eng beieinander |
unangenehm |
Halskette |
Puter, Truthahn |